Tallinn – Eine unterschätzte Perle Europas!
Hallo, hallo liebe Freunde der gepflegten Luftfahrt. In den letzten Monaten haben wir uns intensiv mit der Fliegerei beschäftigt. Ich finde, dass es höchste Zeit für ein wenig Urlaub ist. Oder? Heute nehme ich Euch mit in den nordöstlichen Rand unseres Kontinents. An einen Ort mit einer sagenhaft schönen Altstadt. Gelegen in dem Land mit der nachweislich besten Luftqualität. In eine Stadt mit einer mehr als bewegten Geschichte. Ich zeige Euch Tallinn, die Hauptstadt Estlands. Aus unseren Augen. Viel vergnügen.
Die Anreise – Ab nach Nordosten
Der erste Reisetag brach an. Der vor meiner Freundin und mir liegende Trip sollte viel Versprechen. Historische Architektur und Kultur im Überfluss, Sehenswürdigkeiten und nicht zu Letzt exzellente Lokalitäten zum ausgiebigen Erkunden der estnischen Bierlandschaft. Der, man möchte sagen typische, deutsche Winter spielte unserer Vorfreude einmal mehr in die Hände. Es war nicht warm, aber eben auch nicht richtig kalt. Der Schnee war kein Schnee, sondern Regen, der frech von den grauen Vorhängen des Nordrhein-Westfälischen Himmels nieselte.
Wir wollten leicht reisen, und so packten wir unsere sieben Sachen recht schnell in das Handgepäck und machten uns auf zu einem Flughafen, der sich aus Marketinggründen Düsseldorf Weeze nennt. Einleuchtend, braucht man doch nur anderthalb Stunden mit dem Auto von der Landeshauptstadt zum Flughafen NRN. Unser fliegender Untersatz sollte an jenem Spätnachmittag eine Boeing 737-800 der irischen Ryanair sein. Man kann über diese Airline sagen was man möchte: Das Boarding verlief ordentlich und vor allem flott. Cleared for Takeoff. Der erste Offizier schob die Hebel seiner CFM56 Triebwerke nach vorn und beschleunigten zügig. Wenig später verließen wir den nassen deutschen Boden und schossen in den bleiernen Vorhang aus Wolken.
Ready for Boarding! Mit dieser schicken Maschine ging’s aus dem äußersten Westen Deutschlands in Richtung Tallinn (Ryanair Boeing 737-800)
Es war Winter und die Nacht brach früh herein. Circa zwei Stunden vergehen, bis die Anschnallzeichen erleuchteten und eine baldige Landung verhießen. Der Kopilot ließ seine Maschine beherzt aufsetzen und bremste sie ab. Einige wenige Minuten rollten wir auf dem Asphalt des Flughafens der estnischen Hauptstadt. Dann stiegen wir aus. Wir waren das erste mal in Estland. Ein wahnsinniges Gefühl. Um unser Flugzeug hüllte sich ein Kleid aus Abendnebel.

Das Geisterflugzeug
Willkommen in Tallinn!
Die Entscheidung nur mit Handgepäck zu reisen machte sich einmal mehr bezahlt. Es sollten nicht einmal 15 Minuten vergehen, ehe wir von der Landebahn vor das Terminal an die Bushaltestelle gelangten. Der Flughafen Tallinns ist sehr zentral gelegen, weswegen es keine Bahnverbindung zum Airport gibt.
Es wurde spät, und so machten wir uns ein wenig müde, aber glücklich auf zu unserem Hostel. Es war sehr kalt, aber das warme Zimmer wartete bereits auf uns. Wir checkten ein und luden unser Hab und Gut ab. Danach brachen wir zu Fuß auf, um die unmittelbare Umgebung unserer Herberge zu erkunden, und vor allem, um etwas zu essen. Der erste Tag ging langsam zu Ende. Zufrieden schliefen wir ein, denn es galt am nächsten Tag Tallinn in seiner ganzen Pracht zu erkunden.

Vanalinn, die Altstadt Tallinns.
Lernen wir die Stadt etwas kennen. Tallinn ist die Hauptstadt von Estland, des östlichsten Landes des Baltikums. Helsinki, die Hauptstadt Finnlands, liegt nicht einmal 80 Kilometer nördlich der Stadt. Bis zum Jahre 1918 hieß die Stadt amtlich auch “Reval”. Die Stadt ist recht überschaubar, circa 430.000 Menschen nennen sie ihr Zuhause. Die Geschichte Tallinns ist geprägt von wechselnden Herrschaften und damit auch Einflüssen. So befand sich Tallinn bzw. Estland unter dänischer Herrschaft, unter den Fittichen des deutschen Ordens, unter russischer und unter sowjetischer Herrschaft. Seit 1991 ist Estland wieder unabhängig.
Die Altstadt – Vanalinn!
Genug der Geschichte, es gilt nun, die vielfältige Architektur zu erkunden. Ich möchte Euch dafür zuerst nach Vanalinn führen. Vanalinn, das ist Estnisch und bedeutet ganz einfach “Altstadt”. Diese Altstadt teilt sich noch etwas auf, und zwar in die Unterstadt und in die Oberstadt. Die Unterstadt ist geprägt von alten Schutzwällen und Mauern. Die Oberstadt befindet sich auf dem Domberg (estnisch: Toompea). Der Domberg ist ein gewaltiger Kalkberg und das Wahrzeichen der Hauptstadt. Oben auf diesem Berg thront die Burg Tallinn, die ich Euch später zeigen werde. Bis in das 19. Jahrhundert hinein waren die Ober- und Unterstadt getrennte Verwaltungsgebiete!

Die Nikolaikirche
Wir schlendern durch die Gassen. Es ist kalt, doch gemütlich. Schließlich entdecken wir die Nikolaikirche. Die Nikolaikirche wurde zwischen 1230 und 1275 von Kaufleuten aus Westfalen gegründet. Fast zwei Jahrhunderte später, um 1420, erhielt sie ihr heutiges Antlitz. In der Nikolaikirche lagern eine Sammlung von Kunstschätzen, so zum Beispiel Bernd Notkes “Totentanz”. Während wir weiter schlendern, lernen wir die Gassen der Altstadt lieben. Glücklicherweise blieb Vanalinn von den Bomben der Weltkriege weitgehend verschont.
Nun sollte Beinarbeit folgen. Wir arbeiteten uns die Treppen zum Domberg hinauf. Auf diesem Berg befinden sich die ältesten Gebäude Tallinns. Unser Ziel: Die Kohtuotsa Aussichtsplattform.
Hier bot sich uns ein atemberaubender Blick auf die Skyline Tallinns. Doch nicht nur wir genossen die schöne Aussicht. Auch ein gefiederter Kollege machte ein wenig Rast und genoss die Zeit mit uns.
Zu der schönen Aussicht kommen wir später. Nur Geduld! Zuerst mussten wir etwas zum Essen (und zum Trinken) finden. Die Sonne legte sich langsam aber sicher in ihr Bett hinter’m Horizont und der Himmel über Tallinn wurde zuerst in ein tiefes blau und dann in ein sattes, klares schwarz getaucht.
Satt und gestärkt stapften wir erneut auf die Platform hinauf. Die Aussicht kann ich getrost mit einem Wirt beschreiben. Wunderschön. Mangels Stativ legte meine Kamera einfach für eine Langzeitbelichtung auf die Mauer.
Das Nachtleben in Tallinn
Auf diese Aussicht gibt es erst einmal ein zünftiges Bier. Die Moonshine Bar in der Altstadt sollte sich dafür als ein exzellenter Ort herausstellen. In genialer und gemütlicher Atmosphäre kann man sich hier sprichwörtlich durch hunderte Biere aus der ganzen Welt probieren. Ein schöner Ort. Auch die Preise sind, anders als zum Beispiel in Skandinavien, recht angenehm.
Wir ziehen weiter und landen in einer echt abgefahrenen Absteige: Der Labor Bar. Hier ist der Name Programm! Die Labor Bar ist wie der Name schon vage vermuten lässt, wie ein riesiges Labor aufgebaut. Die Wände sind mit kunstvollem Graffitis, die verrückte Wissenschaftler abbilden, verziert und in Schwarzlicht getaucht. Die Drinks, in Form von Shots, werden in Reagenzgläsern serviert. Junge, Junge! Auch hier waren die Preise wirklich in Ordnung.
Angeheitert und zufrieden liefen wir noch für einige zeit durch Tallinn’s Straße und fanden irgendwann den Weg zu unserem Hostel. Das Hostel hatte eigentlich alles, was man so braucht, also natürlich auch ein Bett. In dieses fielen wir nun. Bis morgen!
Telliskivi Loomelinnak – Die Creative City!
Klar, Tallinn bietet einem alles, was das Herz des Freundes älterer Architektur so begehrt. Aber kann Tallinn auch modern? Definitiv. Hier, und eigentlich in ganz Estlands ist ALLES digitalisiert. Eine Firma kann man online in neun Minuten gründen, Behördengänge sind so gut wie nicht nötig – Der Personalausweis kann unkompliziert online beantragt werden. Auch das Busticket wird ausschließlich mobil gekauft. Übrigens: Skype, der Dienst für Onlinetelefonie, wurde auch hier gegründet. In Hinsicht der Digitalisierung kann man denke ich sagen, dass Estland Deutschland etwas voraus hat. Tallinn ist übrigens ein Paradies für Uber und Taxify Freunde. Die Fahrt aus der Stadt zum Airport kostete uns nicht einmal 5 Euro.
Wir besuchen nun einen alten Industriekomplex, der erst verlassen war und nun von Künstlern aus dem Land und aus der ganzen Welt eine riesige Spielwiese biet. Telliskivi Loomelinnak! Hier finden sich schick designte Kaffees und die alten Fabrikgebäude sind regelrechte Kunstwerke. Streetart vom Allerfeinsten.
Seaplane Harbor und Kadriorg!
Es wird Abend und wir hofften, das Seaplane Harbor Museum besuchen zu können. Daraus wurde leider nichts – Es war geschlossen. Schade. Zu allem Überfluss fegte dann auch noch ein Schneesturm über uns hinweg. Mit klirrenden Zähnen suchten wir einen Unterstand – Und entdeckten unweit des Museums anlegende Militär- und Fischereischiffe! Immerhin ein gutes Motiv.
Das Wetter und wir wurden heute keine Freunde mehr. Deswegen ging es zu einem gemütlichen Bier zurück in die Stadt ins Moonshine und von dort aus zu einer schönen Runde Monopoly ins Hotel. Am nächsten Tag ging’s nach Kadriorg, eine der mittlerweile gehobeneren Wohngegenden Tallinns. Hier befindet sich das wunderschöne Schloss Kadriorg und das Palais, das als Amtssitz des estnischen Staatspräsidenten dient.
Wir schlenderten ein wenig durch den Schlossgarten und beschlossen, dem Kumu einen Besuch abzustatten. Das Kumu ist ein großes lokales Kunstmuseum, das unter Anderem Werke aus der Zeit der Sowjetunion ausstellt. Ein hochinteressanter Ort!
Eine Stadt die sich einfach lohnt
Damit kommt unsere Reise leider schon zu einem Ende. Es ist irgendwie ein Jammer. Wenn ich Freunden von Tallinn erzählte entgegneten mir viele, dass sie nicht einmal Wissen, wo diese Stadt eigentlich genau liegt. Sie verschwindet anscheinend im Schatten klangvollerer Namen der großen Hauptstädte wie Rom, London oder Paris. Wie jedoch sprangen ins “kalte Wasser” und versuchten unser Glück; flogen einfach hin. Und wurden mit einer der schönsten Städte unseres Kontinents belohnt. Wir kommen wieder. Tänan, Tallinn. Das heißt Danke.
Euer Aaron.
Tolle Geschichte. Super schöne Bilder. Ich war selber schon einmal in Tallin. Im Vergleich zu meinem Besuch hat sich einiges getan an Restaurierung. Ich war 2001 in allen 3 Baltischen Hauptstädten.
Wünsche weiterhin viel Freude beim Reisen.
Heidekraut
Du bringst mich auf eine Idee. Da ich mich noch nicht entscheiden konnte, wohin die Reise nächstes Jahr geht, wandern alle möglichen interessanten Ziele in einen Lostopf, aus denen ich dann blind ziehe – ich glaube, ich werfe nach Dänemark, Wales und Russland jetzt noch Tallinn in den Lostopf.
Schau’n wir mal, was bei der Auslosung rauskommt
LG
Ulrike
Hallo Aaron, ich lese Deine Berichte sonst auch sehr gern, aber diesmal konnte ich sogar meine Frau begeistern. Vielleicht geht die nächste Reise ins Baltikum!
Hey Alfred, wie cool, vielen Dank 🙂
Super Bericht und tolle Bilder.Hat mir super gefallen!!LG Michaela
Hallo Michaela, vielen lieben Dank dafür 🙂
Ein schöner Bericht von einer schönen Stadt! Schön auch, dass die Altstadt auf den “Schirm” kommt! Ich wünschte mir aber etwas mehr zu erfahren über die Menschen in dieser Stadt und das Handwerk, sofern noch vorhanden! Ich war in den 1990ern in Prag. Während sich die Meisten hauptsächlich bei 34 Grad in der Innenstadt tummelten, hatte ich mich in die Gassen der Altstadt verkrümelt. So konnte ich etliche Menschen, noch mit Deutschkenntnissen, kennenlernen und viel über ihre eigene Geschichte erfahren! So konnte ich auch sehr gut “einheimisch” essen und musste weniger schwitzen! Aber DANKE für den Bericht!
Hallo, vielen Dank für dein nettes Feedback. Prag steht bei uns auch sehr hoch auf der Liste. Eigentlich versuchen wir auch immer möglichst viele authentische Erfahrungen zu sammeln. So wurde in der Moonshine Bar estnische Musik live zum besten gegebenen und das Publikum war auch eher Lokal. Außerdem waren zu dieser Jahreszeit nich allzu viele Touristen unterwegs. Liebe Grüße und vielen Dank 🙂
Vielen Dank für deine Antwort! Ich habe die längste Zeit meines Lebens in Berlin wirklich gelebt! Meine Besucher sagten immer: Zeige mir doch bitte dein Berlin außerhalb von Kurfürstendamm und Tourismus. Da ich mein Berlin (mindestens von “Westseite” her) kannte und kenne wie den Inhalt in meiner Hosentasche, konnte ich alle von den meisten vergessenen Winkeln, Straßen und kleinen Kneipen und anderen Örtlichkeiten begeistern! Natürlich wurden von mir auch nicht die touristischen Sehenswürdigkeiten und Musiktreffpunkte vergessen! Und ich konnte auch immer wieder selbst etwas dazu lernen!
Liebe Grüße und nochmal Danke
Toller Text & Fotos ? macht richtig Lust nach Tallin zu fahren 🙂
Vielen vielen Dank 🙂
Sieht wirklich toll aus, hatte ich noch so gar nicht auf dem Schirm!
Danke 🙂
Ja, einfach wunderbar und es verlangt nach mehr! Wer beim lesen keine Reiselust bekommt, war wohl schon dort?!
G. l. G. Jochen
Vielen Dank 🙂
LG
Aaron
Beeindruckender Bericht mit tollen Bildern
Danke!!! 🙂