Landen fast ohne Sicht: Das Instrumentenlandesystem (ILS)
Landen ohne Sicht nach draußen, bei dichtem Nebel oder starkem Regen, der die Sicht beeinträchtigt. Wie schaffen Piloten das eigentlich? Ein Teil dieser Antwort ist das „Instrumentenlandesystem“, kurz ILS. Dieses System hilft der Besatzung im Cockpit mit zwei sogenannten Leitstrahlen. Diese zwei Leitstrahlen sind der „Localizer“ und der „Glideslope“: Der Localizer dient dazu, um den Piloten die seitliche (also horizontale) Abweichung zum Landekurs anzuzeigen, und der Glideslope gibt Informationen über die vertikale Abweichung zum idealen Pfad herunter zur Runway.
ILS – Der Localizer und der Glideslope
Genau 300 Meter hinter der Landebahn befindet sich das Antennensystem des Localizers. Dieses System sendet zwei Signale links und rechts von der Runway aus, die auf unterschiedlichen Frequenzen senden. Eine dritte Frequenz kann im Cockpit angewählt werden. Die zwei erstgenannten Frequenzen überlagern sich. Wenn die Differenz dieser beiden Frequenzen gleich null ist, befindet sich das Flugzeug auf dem idealen Kurs. Der Bordcomputer des Flugzeuges hat die Aufgabe, diesen „Nullpunkt“ zu finden. Die Abweichung von diesem Landekurs kann den Piloten im Cockpit dann visuell dargestellt werden.

Kurz vor der Landung in Nürnberg im Cockpit eines Airbus A320, auch hier wurde das ILS genutzt (wie bei eigentlich fast allen Linienflügen in Europa )
So ähnlich funktioniert das ebenfalls beim Glideslope. Auch hier wird für eine Position „zu weit oben“ ein 90-Hertz-Signal und für „zu weit unten“ ein 150-Hertz-Signal verwendet. Befindet sich das Flugzeug genau in der Mitte dieser beiden Signale, ist es auf dem idealen Gleitpfad. Dieser ideale Gleitpfad herunter zur Landebahn beträgt typischerweise drei Grad, kann an einigen Flughäfen aber auch niedriger oder höher sein (so zum Beispiel in London City, wo der Pfad mit 5,5 Grad äußerst Steil ist; mehr dazu in diesem Artikel). Auch diesen Gleitpfad kann sich der Pilot in seinem Primary Flight Display anzeigen lassen. Anhand dieses Systems kann der Autopilot moderner Flugzeuge das Flugzeug sogar von selbst und automatisch landen – eine Funktion, die den Piloten bei äußerst geringen Sichtweiten sehr zu Gute kommt.
MINIMUM – Die Entscheidungshöhe
Jetzt haben wir ein wenig über das ILS gelernt. Jetzt möchte ich ein wenig mehr auf die sogenannte Entscheidungshöhe, oder auch “Decision Height” eingehen. Es gibt einen Punkt im Endanflug auf die Landebahn, an dem der Pilot entscheiden muss, ob er den Anflug fortsetzt oder ob durchgestartet wird. Dieser Punkt ist die Entscheidungshöhe! Diese Höhe ist vorher klar definiert, zum Beispiel anhand der vorherrschenden Sichtweite. Aber dazu komme ich gleich.
Ist die Landebahn bei Erreichen der Entscheidungshöhe nicht zu sehen oder verhindert ein anderer Faktor eine sichere Landung, so wird die Landung abgebrochen. So ein anderer Faktor könnte zum Beispiel ein anderes Flugzeug auf der Runway sein, das sich partout nicht vom Fleck bewegen will, oder aber ein blökender Elch, der es sich in der Sonne auf der Touchdown-Zone gemütlich gemacht hat. Spaß bei Seite: Weiter geht’s.
CAT I, CAT II und CAT III!
Neben der „Decision Height“ gibt es noch die sogenannte „Decision Altitude“. Diese ist die Höhe über Normalnull (also über dem Meeresspiegel) und misst sich mithilfe des klassischen barometrischen Höhenmessers. Die Decision Altitude wird ausschließlich bei Instrumenten-Anflügen (mittels ILS) der Kategorie I verwendet. Kategorien schön und gut. Aber was bedeuten CAT I, II und III eigentlich? CAT hat in diesem Falle nichts mit unseren schnurrenden Freunden mit vier Beinen zu tun. CAT I, II und III sind Kategorien des Instrumentenlandesystems ILS und determinieren die Entscheidungshöhe.
Außerdem entscheidet die ILS Kategorie, bis zu welcher Sichtweite ein Anflug überhaupt erlaubt ist. Denn nicht alle Flughäfen verfügen über ein ILS der Kategorie II oder III für Schlechtwetteranflüge, denn die Kosten um ein solches System aufzubauen und zu erhalten sind nicht unerheblich!
- CAT I: Hier liegt die Entscheidungshöhe bei 200 Fuß über Grund. Voraussetzung
dafür ist eine Landebahnsicht („Runway Visual Range“, RVR) von
mehr als 550 Metern. Ist die Sichtweite schlechter als 550 Meter, so muss der Anflug abgebrochen werden, falls der Flugplatz über kein ILS der Kategorie II oder III verfügt. Gut, dass es Ausweichflughäfen gibt, oder? 😉 - CAT II: Jetzt geht es so langsam ans Eingemachte. Die RVR muss hier bei
mindestens 300 Metern liegen. Bei CAT II liegt die Entscheidungshöhe
zwischen 100 und 200 Fuß. Bei Sichtweiten von unter 300 Metern ist ein ILS der Kategorie III möglich. Ab hier wird auch meist nicht mehr von Hand gelandet, sondern, aus Sicherheitsgründen, automatisch! - CA IIIa: Bei einer RVR von mindestens 175 Metern liegt die Decision
Height hier bei 0-100 Fuß über Grund. - CAT IIIb: Jetzt wird die Suppe ziemlich dicht! Hier muss die RVR bei mindestens
50 und maximal 175 Metern liegen. Die Entscheidungshöhe liegt
bei CAT IIIb bei 0-50 Fuß. - CAT IIIc: Diese Kategorie ist noch nicht zugelassen. Theoretisch gäbe es
hier bei einer RVR von 0 keine Entscheidungshöhe.
Kann ein Flugzeug automatisch landen?

Im Approach – In diesem Fall sind beide Autopiloten des A320 aktiviert!
Aber klar! Wie schon eben angedeutet, ist eine automatische Landung unter bestimmten Bedingungen sogar unabdingbar. Damit eine autmoatische Landung klappt, müssen aber ein paar Voraussetzungen erfüllt sein. Für einen automatischen Anflug der Kategorie reicht ein einzelner Autopilot aus, der mit einem sogenannten “fail-passive” System ausgestattet ist. Falls der Autopilot versagt und das Flugzeug vom optimalen Pfad abkommt, kann der Pilot bei ausreichender Sicht noch manuell eingreifen.
Schwieriger wird das ganze bei CAT III bedingungen. Hier kann der Pilot bei Kursabweichungen mangels Sicht auf die Landebahn im Endanflug ja schlecht eingreifen. Hier muss das System “fail operational” sein. Bei einem solchen System sind mehrere Autopiloten miteinander gekoppelt und kontrollieren sich so quasi gegenseitig, in dem sie unabhängig voneinander die Steuersignale berechnen und die Werte dann miteinander vergleichen. Fällt ein Autopilot aus, verbleibt immer noch ein aktiver, der die Steuerung gänzlich übenrimmt. Bewegte Bilder sagen mehr als 1.000 Worte, deswegen habe ich hier mal ein Video von “Free2FlyA320” eingebettet. Es zeigt eine automatische Landung in Amsterdam bei gerade einmal 125 Metern Sicht!
Natürlich können sich die Piloten bei einer automatischen Landung nicht einfachzurücklehnen und Kaffee trinken, denn sie müssen die Instrumente während eines solchen Anfluges konstant und konzentriert überwachen. Was der Autopilot alles kann und was nicht habe ich übrigens auch genauer in diesem Artikel erklärt.
ILS und Autoland – Auch der Flughafen muss mitspielen!
Natürlich nützt uns das modernste Flugzeug herzlich wenig, wenn der Flughafen technisch nicht mitspielt. Präzisionsanflüge der ILS-Kategorie II oder III benötigen sehr leistungsfähige Anlagen, die das Signal ohne unterbrechung senden. Ab und zu muss das ILS auch neu kalibriert werden, da sich mit der Zeit Anweichungen einschleichen können. Es gibt sogar eine eigene Fluggesellschaft, die sich auf solche Kalibrierungen spezialisiert hat. Der sogenannte “Flight Calibration Serivice” fliegt bei solchen Tests munter mit orangenen King Airs das ILS desentsprechenden Flughafens immer wieder neu ab.

Eine King Air der Flight Calibration Services. Diese Airline testet die Instrumentenanflüge zahlreicher Flughäfen und prüft, ob diese noch genau arbeiten!
In Deutschland sind automatische Landungen momentan unter anderem an folgenden Verkehrsflughäfen möglich:
- Berlin-Schönefeld (SXF)
- Bremen (BRE)
- Dresden (DRS)
- Düsseldorf (DUS)
- Erfurt (ERF)
- Frankfurt am Main und Hahn (FRA, HHN)
- Hamburg (HAM)
- Hannover (HAJ)
- Köln-Bonn (CGN)
- Leipzig/Halle (LEJ)
- München (MUC)
- Münster/Osnabrück (FMO)
- Nürnberg (NUE)
- Saarbrücken (SCN)
- Stuttgart (STR)
- Weeze (NRN)
Mehr Luftfahrt Wissen auf Pilotstories!
Bevor ihr jetzt vor lauter Nebel den Welad nicht mehr sehen könnt, war es das erst einmal für diese Woche. Ihr wollt noch mehr über die komplexen Zusammenhänge der Luftfahrt erfahren? Dann könnten Euch meine bisherigen Artikel auch interessieren!
- Was hat es eigentlich mit den Luftfahrzeugkennzeichen auf sich?
- Was kann der Autopilot eigentlich so?
- Und was macht Fliegen so sicher?
- Unter diesem Link findet ihr alle meine Artikel mit Luftfahrtwissen.
Wenn ihr mehr aus dem Cockpit und über die Arbeit von Linienpiloten wissen wollt, dann lege ich Euch folgende Artikel ans Herz:
- Zwei Gastartikel von meinem Kumpel Sascha, in dem er Euch zeigt wie es ist, Pilot bei der SWISS zu sein. Im Ersten Artikel nimmt er Euch mit ins Cockpit seiner Avro. Im zweiten Artikel hat Sascha auf die CS100, das wohl modernste Kurzstreckenflugzeug, umgesattelt.
- Ein Artikel von meinem Kumpel Phil, Boeing 747 Pilot bei der Lufthansa. In seinem Artikel nimmt er Euch im Cockpit mit von Frankfurt nach Tokio.
Das heutige Thema habe ich übrigens auch in meinem Buch 101 Dinge, die man über die Luftfahrt wissen muss behandelt. Finden könnt ihr das Buch beim Buchhändler eures Vertrauens oder bequem bei Amazon unter diesem Link!
Jeden Freitag gibt es auf Pilotstories eine neue Portion Luftfahrt. Folgt mir deswegen gerne auf Facebook und Instagram oder abonniert meinen Newsletter per E-Mail (Box unten), um auf dem Laufenden zu bleiben. Bis zum nächsten Mal und Happy Landings.
Sehr informativ, Dankeschön 🙂
Gerne. Danke gleichfalls. 🙂
Für das, was ich bisher für selbstverständlich hinnahm, wird mir durch deinen wunderbar spannenden Blog, klar wie viel technische Details eigentlich dahinterstecken. Danke!
Vielen Dank für die netten Worte. Es freue mich, mit dir nun eine Leserin mehr zu haben. 🙂
Sehr cool!