Ein Tag im Leben eines Lufthansa Boeing 747 Piloten
Ein Artikel aus dem Cockpit von Lufthansa Pilot Philipp! Moin! So grüßt man sich in meiner Heimatstadt Hamburg. Heute nehme ich euch mit auf meinem Flug von Frankfurt (FRA/EDDF) nach Tokio Haneda (RJTT/HND) an Bord einer Lufthansa Boeing 747-8 intercontinental.

Phil vor “seiner” Boeing 747-8i in der schicken Retro-Lackierung
Mein Weg zum ins Jumbo Cockpit
Aber bevor es los geht, noch ein paar Worte zu mir. Mein Name ist Philipp, aber mich nennen eigentlich alle nur noch Phil. Ich bin 39 Jahre alt, verheiratet und wohne inzwischen im Ruhrgebiet. Es war bereits seit eh und je mein Traum einmal Pilot zu werden. Also habe ich mich 2000 bei der Lufthansa beworben und wurde dort auch angenommen. Ich habe dann meine Ausbildung 2001 begonnen und bin alle Phasen in Bremen und Phoenix, Arizona erfolgreich durchlaufen.
2003 war ich dann fertig, aber zu dieser Zeit war der Bedarf an Piloten gering, daher hatte die Lufthansa für uns gerade keinen Platz. Also suchte ich eine Alternative. Ich habe dann 6 Monate als Lademeisteragent am Frankfurter Flughafen gearbeitet und dann hatte ich das Glück, dass Hapag- Lloyd Piloten suchte. Also habe ich mich direkt beworben und bin dann – gottseidank – auch angenommen worden. Somit ging das Fliegen 2004 endlich los, auf der Boeing 737-700/800.
Nach nur 10 Monaten ging es dann zurück zur Lufthansa. Dort bin ich dann die älteren Boeing 737-300/500 geflogen. Nach nur 3,5 Jahren auf dem ‘Bobby’ wie die 737 gerne genannt wird, bin ich dann zur Lufthansa Cargo, auf die McDonnell Douglas MD11, wo ich dann auch bereits Senior First Officer wurde. Hier verblieb ich 3,5 Jahre um dann endlich mir einen weiteren Kindheitstraum zu erfüllen: Pilot auf der Queen of the Skies, der Boeing 747 zu werden! Das mache ich nun schon seit 2010 und fühle mich sauwohl.
Genug von mir, nun geht’s los auf unseren Langstreckenflug.
Vorbereitungen für den Sprung nach Fernost!
Die Briefingzeit ist 1:40 vor der geplanten Abflugszeit. Heute also 16:25, denn Abflug ist 18:05. Der Flug ist mit 3 Piloten geplant, einem Kapitän, einem Senior First Officer (ich) und einem First Officer. Wir treffen uns an unseren Briefingplätzen. Dort schliessen wir unsere Tablets an und laden uns sämtliche updates runter. Direkt danach laden wir uns auch den eFF (electronic flight folder) runter. Da wir heutzutage ja im Zeitalter der modernen Technik leben, haben wir keine Papierunterlagen mehr. Es befindet sich alles auf unseren Tablets. Dort checken wir heute auch die Flugroute, das Wetter, NOTAMs (spezielle kurzfristige Änderungen oder Einschränkungen an den Airports), Flugzeit, Sicherheitslage und technische Beanstandungen (falls es welche gibt).

Phillips aktuelles Muster, die Boeing 747-8, im Landeanflug auf Frankfurt am Main!
Die Flugzeit wurde heute mit 10:49 berechnet, was relativ lang ist, denn der Wind hat sich heute entschieden eine Pause einzulegen und daher fehlt uns der übliche Rückenwind. Damit ist eine pünktliche Landung in Tokio schon knapp, denn eingeplant für den ganzen Flug vom pushback bis zum andocken am Gate in Tokio sind nur 11:10. Das Wetter unterwegs soll gut sein, nur ein Bereich von leichter Turbulenz vorhergesagt. In Tokio selber, leicht bewölkt, 25°C und leichter Wind. Also klingt es nach einem ruhigen Flug.
Nun bestimmen wir die Menge an Sprit, die wir mitnehmen wollen und müssen. Für heute sind es 127.000 kg oder 127 Tonnen. Das klingt erstmal viel, aber wenn man es pro Passagier betrachtet sind es nur ca. 4L/100km.
Nun treffen wir uns noch mit unserer restlichen Crew, unseren Pursern und Flugbegleitern. Insgesamt besteht unsere Crew heute aus 19 Frauen und Männern. 3 im Cockpit, 16 in der Kabine. Mit denen besprechen wir ebenfalls das Wetter, Besonderheiten auf dem Flug und ob Turbulenzen zu erwarten sind.
Alle Mann an Bord!
Jetzt geht es auch schon durch die Sicherheitskontrolle und auch durch die Passkontrolle zum Flugzeug. Knapp 60 Minuten vor Abflug kommen wir an Bord. Die Flugbegleiter bereiten die Kabine vor und checken, ob die ganze Notausrüstung an Bord ist und ob genug Essen und Trinken beladen wurde. Auch wir im Cockpit bereiten den Flieger vor. Wir checken nochmal den technischen Zustand des Flugzeuges (heute keine Beanstandungen) und überprüfen die Systeme. Sei es Hydraulik, Elektrik, Pneumatik oder auch unsere Navigationssysteme. Das FMS (Flight management System) wird programmiert. Das FMS ist quasi ein Computer, den wir mit vielen Daten füttern und der uns dann bei der Flugdurchführung unterstützt.

Philipps Arbeitsplatz: Der Kopilotensitz der Boeing 747-8!
Inzwischen steigen auch die Passagiere ein. Unsere Boeing 747-8 hat 8 First class, 80 Business Class, 32 Premium Economy und 244 Economy Class Sitze, also insgesamt 364 passagiere finden bei uns an Bord platz.
Pünktlich wollten wir los, aber das klappte heute leider nicht ganz, denn die Beladung von Fracht und Gepäck hat ein weniger länger gedauert als erhofft. Also sind wir statt um 18:05 Uhr erst um 18:15 Uhr los. Wir werden aus der Parkposition zurückgestossen, die 4 Triebwerke laufen hoch und wir setzen die Landeklappen für den Start.

Noch kurz zum Outsidecheck: Die Maschine schaut auch von außen gut aus 🙂
Endlich bekommen wir die Freigabe zur Startbahn zu rollen, heute die sogenannte 07C. Also starten wir in östlicher Richtung. Auf dem Weg dorthin besprechen wir nochmal unsere Abflugroute. Besprechen den Fall eines Triebwerkausfalls und über die Besonderheiten eines Startabbruchs. Wir hoffen natürlich immer, dass wir es nicht brauchen, aber wir bereiten uns auch mental auf den Fall vor, dass etwas passieren könnte. Wie sagt man so schön: Always be prepared.
„Lufthansa 716 heavy, runway 07C cleared for take off!”
Wenig später stehen wir vor der Startbahn 07C und bekommen das ‘Kabine klar’. Das heißt in der Kabine sitzen alle angeschnallt, alles ist verstaut und das heißt, es kann losgehen. Ich melde an den Tower: „Lufthansa 716 heavy, ready for departure“. Dieser antwortet: „Lufthansa 716 heavy, wind 020 with 4 knots, runway 07C cleared for take off.“ Das ist unsere Startfreigabe! Nun geht es los! Wir rollen auf die Startbahn und da ich heute den Flug durchführe, übergibt der Kapitän mir die Kontrolle und es heißt „TAKE OFF“.
Die Schubhebel werden nach vorne geschoben, es wird lauter und man merkt, wie man sanft, aber doch deutlich in den Sitz gedrückt wird. Die Boeing 747-8 beschleunigt die 412 Tonnen auf 163 knoten oder gut 300 km/h. Das ist die Geschwindigkeit, bei der wir heute abheben. Ich ziehe leicht am Steuerhorn und die Nase erhebt sich und kurz danach auch der Rest! Wir fliegen! Der Traum vom Fliegen!
Das Fahrwerk wird eingefahren und sukzessive auch die Landeklappen, denn die brauchen wir im Reiseflug nicht.

Hier seht ihr die Lufthansa Boeing 747-8 “Yankee Quebec”, die auf den Namen Schleswig Holstein getauft wurde. Das ist auch heute unsere Maschine!
Routine im Reiseflug!
Wir steigen weiter bis auf 31.000 Fuss (9448m). Mit diesem Gewicht kommen wir erst einmal nicht höher. Durch den Verbrauch des Sprits werden wir leichter und können im Verlaufe des Fluges weiter steigen, was den Verbrauch weiter reduziert.
Was jetzt folgt, ist Routinearbeit. Die Flugbegleiter fangen an mit dem Service für die Passagiere in allen Klassen und wir überprüfen den Autopiloten, der von mir während des Steigfluges eingeschaltet wurde. Ausserdem überprüfen wir das Wetter der nächstgelegenen Flughäfen – wieder nach dem Motto, be prepared, falls was schief geht. Wir beobachten und dokumentieren den Spritverbrauch. Wir sprechen mit den Fluglotsen und beobachten auch den Luftraum um uns herum.
Das sind alles arbeiten, die ständig durchgeführt werden. Im Großen und ganzen ist es aber nicht hektisch oder stressig, es sieht eher sehr ruhig aus, wie wir im Cockpit da sitzen. Ein Kollege hat es mal sehr gut beschrieben: „Es ist wie wenn ein Analphabet einem beim Lesen zuschaut, er sieht nicht, was der lesende dort macht, denn das meiste spielt sich im Kopf ab“. Das ist bei uns ähnlich. Man sieht uns nicht die ganze Zeit wild an irgendwelchen Knöpfen spielen oder Schalter betätigen. Bei uns spielt sich viel im Kopf ab. Was wäre wenn… Was würden wir tun wenn…
Daher gibt es von dem Reiseflug nicht viel zu berichten. Die Turbulenzen blieben aus und es war wirklich ein sehr ruhiger Flug.
Unsere Route führte uns heute über die Ostsee über die Südöstliche Ecke von Schweden, dann direkt über Helsinki, nördlich an St. Petersburg in Russland vorbei. Weiter an Arkhangelsk vorbei, Salekhard, Yakutsk, Kabarovsk, dann lassen wir Russland hinter uns und fliegen auf direktem Weg nach Tokio.
Die Flugroute könnte 20 Minuten kürzer sein, wenn man über Nordkorea fliegt. Aber ich denke jeder kann verstehen, warum man nicht über Nordkorea fliegt und den Umweg in Kauf nimmt 😉
Zurück der Erde entgegen!
Knapp eine Stunde vor der Landung fangen wir dann wieder mit den Vorbereitungen an. Wir überprüfen das Wetter für Tokio, welche Landebahn genutzt wird, wie lang diese ist, wo rollen wir ab, über welche Rollwege kommen wir zu unserem Gate. Auch besprechen wir, was passiert, wenn wir durchstarten müssten. Können wir einen 2. Anflug in Tokio machen über müssten wir dann schon zu unserem Ausweichflughafen. Da das Wetter aber gut ist und in Tokio 4 Landebahnen zur Verfügung stehen ist ein Flug zum Ausweichflughafen eher unwahrscheinlich. Aber auch hier wieder – always be prepared 😉

Die Boeing 747 ist bekannt und beliebt für Ihre schnelle Reisegeschwindigkeit. In diesem Beispiel half (bei einem anderen Flug) der Rückenwind von 163 ordentlich nach und bugiserte den Jumbo auf eine Geschwindigkeit über Grund von 649 Knoten. Das entspricht etwas mehr als 1.200 km/h!
Ich leite den Sinkflug ein und wir erfahren, dass wir auf der Landebahn 34R landen sollen. Geplant bzw gehofft hatten wir auf die 23, denn dann haben wir eine sehr kurze Rollzeit, denn wir wollen ja doch noch so pünktlich wie möglich bzw mit so wenig wie möglich Verspätung ankommen. Während des Reisefluges sind wir bereits schneller geflogen und haben auch 8 Minuten an Zeit gewonnen. Doch mit dem Anflug auf Landebahn 34R verlieren wir wieder 4 Minuten durch die längere Flugzeit und die Rollzeit am Boden wird signifikant länger, denn wir müssen vom östlichen Rand des Flughafens den ganzen Weg zum westlichen Teil des Flughafens, denn dort ist das internationale Terminal.
Aber wir haben ja die Möglichkeit auch mit den Fluglotsen zu sprechen und diese um eine andere Landebahn zu bitten. Wir fragten also nach Landebahn 34L. Dadurch würde sich die Rollzeit wieder verkürzen. Der Lotse war hilfsbereit und so planten wir eine Landung auf der Landebahn 34L.
Touchdown in Tokio mit 296 Tonnen
Der Anflug verlief bei schönem Wetter, die Stadt Tokio war im Hintergrund zu sehen und somit landete ich um 12:21 Tokio Zeit auf der Landebahn 34L. Die Landebahn ist 3000m lang, die 747 braucht aber nur etwas über 2000m, also ausreichend lang, kein Problem.
Unser Landegewicht betrug 296 Tonnen! Das heißt wir haben 116 Tonnen an Sprit verbraucht und hatten noch gute 11 Tonnen Restsprit an Bord. Unsere Landegeschwindigkeit betrug 154 knoten oder 285 km/h.
Wir rollten von der Landebahn ab und der Lotse gab uns die Rollwege, die wir nehmen sollen, um ans Gate 107 zu kommen. Nur 6 Minuten Rollzeit, um an das Gate zu kommen. Somit waren wir um 12:28 am Gate, aber leider immernoch 13 Minuten zu spät.

An einem anderen Tag, im Reiseflug in Richtung Osten in einer Höhe von 35.000 Fuß!
Am Gate schalten wir jetzt die 4 Triebwerke wieder aus und ebenfalls die meisten System, denn diese werden am Boden jetzt nicht mehr gebraucht.
Wir lesen die letzte Checkliste für heute, um zu überprüfen, dass wir auch nichts vergessen haben.
Feierabend!
Nun freuen wir uns auf den Feierabend, denn nach deutscher Zeit ist es jetzt bereit 5:30 Uhr morgens und jeder, der Nachtschichten arbeitet, weiß wie sehr man sich dann auf ein Bett freut 😉 Zuerst aber noch durch die Passkontrolle und durch den Zoll und ab zum Bus, der uns in Hotel fährt.

Das war die Maschine für unseren heutigen Flug – Hier wird sie für die Reise zurück nach Frankfurt mit frischem Catering versorgt
Ich hoffe euch hat der kurze Einblick gefallen und ihr habt einen kleinen Einblick bekommen, was wir machen, während ihr einen Film schaut und das Essen geniesst ;-)Falls ihr Bilder von mir sehen wollt, schaut bei mir bei Instagram vorbei: wilco737 oder auch bei Flickr: wilco737. Ihr wollt Pilotstories unterstützen? Dann folgt mir gerne auf Facebook und Instagram oder abonniert meinen Newsletter per E-Mail (Box unten).